Bürgermeister Zehe entschuldigte den Bauantragssteller und seinen Architekten, da diese aus terminlichen Gründen nicht persönlich erscheinen konnten.

 

Dem Gemeinderat wird ein Bauantrag zur Nutzungsänderung des bestehenden Gastronomiebetriebes „Liesbach-Bräu“ in Burgwallbach auf dem Grundstück Fl. Nr. 1918 in der Liesbachstr. 8 von Gastronomiefläche in Wohnfläche vorgelegt. Faktisch geht es um eine Nutzungsänderung in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.

 

Aus baurechtlicher Sicht sind von der Gemeinde folgende Fragen zum Bauantrag zu klären:

 

  1. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
  2. Erschließung
  3. Stellplatzfrage

 

 

Das Restaurant mit Hotel und Kleinbrauerei soll umgebaut und künftig als Gemeinschaftsunterkunft für 70 Asylbewerber genutzt werden. Der Gastronomiebetrieb wird nach Auskunft des Eigentümers voraussichtlich noch bis 31.12 2015 laufen. Anschließend erfolgt eine kurze Umbauphase. Eine Zuweisung von Asylsuchenden durch die Regierung von Unterfranken soll je nach Baufortschritt voraussichtlich zum 01.04.2016 vorgenommen werden.

 

Änderungen werden vorwiegend im Inneren des Gebäudes vorgenommen. Zur Sicherung des Brandschutzes ist ein Zugang nach Außen über eine Spindeltreppe mit Podest auf der Nord-Westseite des Gebäudes vorgesehen. Damit verbunden ist der Einbau einer Dachgaube.

Der Bebauungsplan enthält für das Grundstück Fl. Nr. 1918 keine Regelung über die Zulässigkeit, den Standort und die Größe von Gauben und vergleichbaren Dachaufbauten.

 

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit:

 

Das Grundstück Fl.Nr. 1918 liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplanes „Beiderseits der Schönauer Straße“.

 

Das ehemalige Gasthaus „Waldesruh“ stand schon vor der Aufstellung des Bebauungsplanes, der diesen Bereich als Allgemeines Wohngebiet nach § 4 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) festsetzt. Die nördlich angrenzenden Grundstücke befinden sich in einem Reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO).

 

Somit ist die Zulässigkeit der Gemeinschaftsunterkunft im Allgemeinen Wohngebiet zur prüfen.

 

Allgemeine Wohngebiete (§ 4 BauNVO) dienen vorwiegend dem Wohnen.

 

Zulässig sind dort

  1. Wohngebäude
  2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe
  3. Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

 

Das Vorhaben ist als Anlage für soziale Zwecke zu beurteilen.

In allgemeinen Wohngebieten sind Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinne der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfart. Zu den Anlagen für soziale Zwecke zählen auch Gebäude, die der Unterbringung und Betreuung von Menschen dienen, z.B. von Obdachlosen, Asylbewerbern, Aus- und Übersiedlern, sowie andere Unterkünfte mit Unterbringungs- und Betreuungscharakter, die keine Wohngebäude sind.

 

Somit sind Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber Anlagen für soziale Zwecke und damit weder Wohngebäude noch Beherbergungsbetriebe.

 

Im Rahmen der Gebietsverträglichkeit sind Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern, Aus- und Übersiedlern (Gemeinschaftsunterkünfte, Unterbringungsheime) im Allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Begleiterscheinungen sozialer Anlagen sind im Allgemeinen hinzunehmen. Insbesondere gewährt das Bauplanungsrecht keinen Ansatzpunkt für einen „Milieuschutz“, verstanden als Forderung nach Erhaltung der sozialen Homogenität und dem Fernhalten subjektiv unerwünschter sozialer Einflüsse, Anblicke oder Erscheinungen oder vermeintlicher gefährlicher Nutzungen.

 

Bauplanungsrechtlich ist die Zulässigkeit somit gegeben.

 

 

Beurteilung der Überschreitung von Baugrenzen:

 

Die geplante Wendeltreppe kann nach Mitteilung des Planfertigers nur durch eine Zutritts- bzw. Ausgangskontrolle und im Notfall als Fluchtweg genutzt werden. Der als Fluchtweg beantragte Standort der Wendeltreppe liegt außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen.

Hierzu ist zu bemerken, dass der westliche Gebäudeteil mit ca. 7 m außerhalb der Baugrenzen  liegt. Auch das Garagengebäude liegt außerhalb der Baugrenzen, weil in der Vergangenheit bei Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen früherer Besitzer eine Bebauung außerhalb der festgesetzten Baugrenzen zugelassen wurde.

 

Bei der beantragten Nutzungsänderung wird eine Neubeurteilung der Bestandsgebäude hinsichtlich der Baugrenzen nicht vorgenommen, da die Variationsbreite der Nutzung (Unterbringung von Menschen) nicht verlassen wird, auch wenn quantitative Abweichungen gegeben wären.

 

Für den Standort der Fluchttreppe außerhalb der Baugrenzen ist die Zustimmung der Gemeinde zu einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erforderlich. Über die Befreiung selbst entscheidet die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren. Die Fluchttreppe soll nur im Notfall genutzt werden und ist aus brandschutzrechtlichen Gründen zur Nutzung des Gebäudes als Unterkunft für Asylbewerber notwendig. Sie hat keine unmittelbare Auswirkung auf Nutzungsart, wie auch -umfang und damit auf die Belegung der künftigen Gemeinschaftsunterkunft.

 

Nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

 

  1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder
  2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
  3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde

 

und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

 

Der Gesetzgeber hat durch Änderung baurechtlicher Bestimmungen signalisiert, die Schaffung derartiger Einrichtungen eher zu begünstigen.

 

Bei der Beurteilung ist § 246 Abs. 11 Baugesetzbuch mit beizuziehen, wonach Anlagen für soziale Zwecke (als Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende), selbst wenn sie nur Ausnahmsweise zugelassen werden können, in der Regel zugelassen werden sollen. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, da die Gemeinschaftsunterkunft im Allgemeinen Wohngebiet des Standortes nicht ausnahmsweise, sondern allgemein zulässig ist. Damit reduziert sich das Ermessen der Gemeinde zur Entscheidung über die Zustimmung für eine Befreiung von der Baugrenzenfestsetzung des Bebauungsplanes gegen Null (indiziertes Ermessen). Die Befreiung ist daher zu erteilen.

 

In der Vergangenheit wurde von der Befreiungsmöglichkeit von Baugrenzen oftmals Gebrauch gemacht. Eine Abweichung ist städtebaulich, und wird auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen, für vertretbar gehalten.

 

Der Grenzabstand der Außentreppe zum angrenzenden Nachbargrundstück Fl. Nr. 1890/40 beträgt 2 m. Abstandsflächenrechtliche Belange und brandschutzrechtliche Bestimmungen prüft die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren.

 

Hier hackt der Gemeinderat sich ein: Aus Sicht des Gremiums berührt die Fluchttreppe außerhalb der Baugrenze mit nur 2 m Abstand zur Nachbargrenze sehr wohl die Belange der anliegenden Nachbargrundstücke. Es stellt schon ein Problem dar, dass die Gebäude der geplanten Gemeinschaftsunterkunft und der Nachbargrundstücke recht eng beieinander stehen. Diese Situation wird durch die Außentreppe verstärkt. Es sollten die Mindestabstände zur Nachbargrenze eingehalten werden. Darüber hinaus schien dem Gemeinderat eine Verlagerung der Treppe auch aus sicherheitstechnischer Sicht sinnvoll (Nutzungsmöglichkeit für alle Geschosse).

 

Gemeinderatsmitglied Michael Heinrich fragt, ob eine Selbstversorgung stattfindet oder ein Koch eingestellt wird?

 

Bis jetzt wurden keine Angaben gemacht. Bürgermeister Zehe merkt an, dass bei einer solchen Anzahl von Personen immer ein Betreuer vor Ort sein muss.

 

Gemeinderätin Fr. Dr. Doris Pokorny erkundigt sich, ob die Nachbarn ihr Einvernehmen durch Unterschriftsleistung gegeben haben?

 

Die Pläne wurden vom Bauherrn den beteiligten Nachbarn nicht vorgelegt. Die Nachbarn wurden im Auftrag vom 1. Bürgermeister Zehe durch die Verwaltung schriftlich informiert. Ihnen wurde die Gelegenheit zur Einsicht in die Bauantragsunterlagen gegeben. Die Nachbarn haben dieses Angebot sehr gut angenommen.

 

3. Bürgermeister Andreas Herleth möchte wissen, was passiert wenn die Unterschriften von den Nachbarn verweigert werden?

 

Die Bauaufsichtsbehörde wird sich mit den beteiligten Nachbarn in Verbindungen setzen und die Gründe der Verweigerung ihrer Unterschriftsleistung hinterfragen. Sollten keine baurechtlichen Gründe gegen den Bauantrag seitens der Nachbarn vorliegen, kann eine Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde erteilt werden.

 

Gemeinderatsmitglied Thomas Jülka fragt, ob der Ausbau der Gaube von der Gemeinde genehmigt werden muss?

 

Bürgermeister Zehe merkt an, dass der Bebauungsplan keine Regelung über die Zulässigkeit, den Standort und die Größe von Gauben und vergleichbaren Dachaufbauten für das Grundstück Fl. Nr. 1918 enthält.

 

Erschließung:

 

Die Erschließung, Zufahrt, Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation ist gesichert. Eine Überlastung der Kanalisation ist auszuschließen, da keine wesentliche Benutzungsumfangsänderung gegenüber dem früheren Hotel gegeben ist.

 

Stellplatzfrage:

 

Die gemeindliche Stellplatzsatzung sieht keine Regelung für die beantragte Nutzungsänderung vor. Nach § 3 Abs. 3 der gemeindlichen Stellplatzsatzung gelten die Richtlinien des Bayer. Staatministeriums des Innern vom 12.02.1978. Auch hier sind für die beantragte Nutzung keine Regelungen enthalten.

 

Nach der derzeitigen Rechtslage werden nach der Anlage 1 Nr. 1.12  der Garagenverordnung bei Gemeinschaftsunterkünften für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 1 Stellplatz je 30 Betten, mindestens 3 Stellplätze gefordert.
Bei 70 vorgesehenen Personen ergäben sich 3 Stellplätze.

 

Auf dem Grundstück befinden sich 4 Garagen. Der Nachweis von mindestens 3 weiteren Stellplätzen ist im hinteren Grundstückbereich gegeben.

 

Die Bauanträge zur Nutzungsänderung wurden den angrenzenden Nachbarn durch den Bauherrn nicht vorgelegt. Die Nachbarn wurden durch die Verwaltung mit Schreiben vom 20.10.2015 informiert und es wurde ihnen Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Bauantragsunterlagen gegeben. Davon wurde von den Nachbarn Gebrauch gemacht.

 

Der Bauantrag ist am 12.10.2015 bei der Gemeinde eingegangen. Über das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 Abs. 2 Baugesetzbuch ist bis Ende November 2015 zu entscheiden.


Beschluss:

 

Der Gemeinderat erteilt sein Einvernehmen zum Bauantrag zur Nutzungsänderung des bestehenden Gastronomiebetriebes „Liesbach-Bräu“ in Burgwallbach auf dem Grundstück Fl. Nr. 1918 in der Liesbachstr. 8 von Gastronomiefläche in eine Beherbergungsunterkunft entsprechend den vorgelegten Planunterlagen.

Für den Standort der Spindeltreppe außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze wird, aufgrund der vorgenannten Gründe, keine Zustimmung zu einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt.

 


Abstimmungsergebnis:

 

Ja-Stimmen:

13

Mitgliederzahl:

13

Nein-Stimmen:

0

Anwesend:

13