Sitzung: 17.11.2015 GSB/011/2015
Bürgermeister Zehe entschuldigte den Bauantragssteller und seinen
Architekten, da diese aus terminlichen Gründen nicht persönlich erscheinen
konnten.
Dem Gemeinderat wird ein Bauantrag zur Nutzungsänderung des bestehenden
Gastronomiebetriebes „Liesbach-Bräu“ in Burgwallbach auf dem Grundstück Fl. Nr.
1918 in der Liesbachstr. 8 von Gastronomiefläche in Wohnfläche vorgelegt. Faktisch
geht es um eine Nutzungsänderung in eine Gemeinschaftsunterkunft für
Asylbewerber.
Aus baurechtlicher Sicht sind von der Gemeinde folgende Fragen zum
Bauantrag zu klären:
- Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
- Erschließung
- Stellplatzfrage
Das Restaurant mit Hotel und Kleinbrauerei soll umgebaut und künftig als
Gemeinschaftsunterkunft für 70 Asylbewerber genutzt werden. Der
Gastronomiebetrieb wird nach Auskunft des Eigentümers voraussichtlich noch bis
31.12 2015 laufen. Anschließend erfolgt eine kurze Umbauphase. Eine Zuweisung
von Asylsuchenden durch die Regierung von Unterfranken soll je nach
Baufortschritt voraussichtlich zum 01.04.2016 vorgenommen werden.
Änderungen werden vorwiegend im Inneren des Gebäudes vorgenommen. Zur
Sicherung des Brandschutzes ist ein Zugang nach Außen über eine Spindeltreppe mit
Podest auf der Nord-Westseite des Gebäudes vorgesehen. Damit verbunden ist der
Einbau einer Dachgaube.
Der Bebauungsplan enthält für das Grundstück Fl. Nr. 1918 keine Regelung
über die Zulässigkeit, den Standort und die Größe von Gauben und vergleichbaren
Dachaufbauten.
Bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit:
Das Grundstück Fl.Nr. 1918 liegt im Geltungsbereich des qualifizierten
Bebauungsplanes „Beiderseits der Schönauer Straße“.
Das ehemalige Gasthaus „Waldesruh“ stand schon vor der Aufstellung des
Bebauungsplanes, der diesen Bereich als Allgemeines Wohngebiet nach § 4 der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) festsetzt. Die nördlich angrenzenden Grundstücke
befinden sich in einem Reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO).
Somit ist die Zulässigkeit der Gemeinschaftsunterkunft im Allgemeinen
Wohngebiet zur prüfen.
Allgemeine Wohngebiete (§ 4 BauNVO) dienen vorwiegend dem Wohnen.
Zulässig sind dort
- Wohngebäude
- die der Versorgung des Gebiets
dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende
Handwerksbetriebe
- Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und
sportliche Zwecke.
Das Vorhaben ist
als Anlage für soziale Zwecke zu beurteilen.
In allgemeinen Wohngebieten sind Anlagen
für soziale Zwecke allgemein zulässig. Anlagen für soziale Zwecke dienen in
einem weiten Sinne der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfart. Zu den
Anlagen für soziale Zwecke zählen auch Gebäude, die der Unterbringung und
Betreuung von Menschen dienen, z.B. von Obdachlosen, Asylbewerbern, Aus- und
Übersiedlern, sowie andere Unterkünfte mit Unterbringungs- und
Betreuungscharakter, die keine Wohngebäude sind.
Somit sind Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber Anlagen für soziale
Zwecke und damit weder Wohngebäude noch Beherbergungsbetriebe.
Im Rahmen der Gebietsverträglichkeit sind Anlagen zur Unterbringung von
Asylbewerbern, Aus- und Übersiedlern (Gemeinschaftsunterkünfte,
Unterbringungsheime) im Allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig.
Begleiterscheinungen sozialer Anlagen sind im Allgemeinen hinzunehmen.
Insbesondere gewährt das Bauplanungsrecht keinen Ansatzpunkt für einen „Milieuschutz“, verstanden als Forderung
nach Erhaltung der sozialen Homogenität und dem Fernhalten subjektiv
unerwünschter sozialer Einflüsse, Anblicke oder Erscheinungen oder
vermeintlicher gefährlicher Nutzungen.
Bauplanungsrechtlich
ist die Zulässigkeit somit gegeben.
Beurteilung der Überschreitung
von Baugrenzen:
Die geplante Wendeltreppe kann nach Mitteilung des Planfertigers nur
durch eine Zutritts- bzw. Ausgangskontrolle und im Notfall als Fluchtweg genutzt
werden. Der als Fluchtweg beantragte Standort der Wendeltreppe liegt außerhalb
der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen.
Hierzu ist zu bemerken, dass der westliche Gebäudeteil mit ca. 7 m
außerhalb der Baugrenzen liegt. Auch das
Garagengebäude liegt außerhalb der Baugrenzen, weil in der Vergangenheit bei
Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen früherer Besitzer eine Bebauung außerhalb der
festgesetzten Baugrenzen zugelassen wurde.
Bei der beantragten Nutzungsänderung wird eine Neubeurteilung der
Bestandsgebäude hinsichtlich der Baugrenzen nicht vorgenommen, da die
Variationsbreite der Nutzung (Unterbringung von Menschen) nicht verlassen wird,
auch wenn quantitative Abweichungen gegeben wären.
Für den Standort der Fluchttreppe außerhalb der Baugrenzen ist die
Zustimmung der Gemeinde zu einer Befreiung von den Festsetzungen des
Bebauungsplanes erforderlich. Über die Befreiung selbst entscheidet die
Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde im
Baugenehmigungsverfahren. Die Fluchttreppe soll nur im Notfall genutzt werden
und ist aus brandschutzrechtlichen Gründen zur Nutzung des Gebäudes als
Unterkunft für Asylbewerber notwendig. Sie hat keine unmittelbare Auswirkung
auf Nutzungsart, wie auch -umfang und damit auf die Belegung der künftigen Gemeinschaftsunterkunft.
Nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch kann von den Festsetzungen des
Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt
werden und
- Gründe des Wohls der Allgemeinheit,
einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder
Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder
- die Abweichung städtebaulich vertretbar
ist oder
- die Durchführung des Bebauungsplans zu
einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen
mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Der Gesetzgeber hat durch Änderung baurechtlicher Bestimmungen
signalisiert, die Schaffung derartiger Einrichtungen eher zu begünstigen.
Bei der Beurteilung ist § 246 Abs. 11 Baugesetzbuch mit beizuziehen,
wonach Anlagen für soziale Zwecke (als Unterkunft für Flüchtlinge oder
Asylbegehrende), selbst wenn sie nur Ausnahmsweise zugelassen werden können, in
der Regel zugelassen werden sollen. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, da
die Gemeinschaftsunterkunft im Allgemeinen Wohngebiet des Standortes nicht
ausnahmsweise, sondern allgemein zulässig ist. Damit reduziert sich das
Ermessen der Gemeinde zur Entscheidung über die Zustimmung für eine Befreiung
von der Baugrenzenfestsetzung des Bebauungsplanes gegen Null (indiziertes
Ermessen). Die Befreiung ist daher zu erteilen.
In der Vergangenheit wurde von der Befreiungsmöglichkeit von Baugrenzen
oftmals Gebrauch gemacht. Eine Abweichung ist städtebaulich, und wird auch
unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen, für vertretbar
gehalten.
Der Grenzabstand der Außentreppe zum angrenzenden Nachbargrundstück Fl.
Nr. 1890/40 beträgt 2 m. Abstandsflächenrechtliche Belange und brandschutzrechtliche
Bestimmungen prüft die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren.
Hier hackt der Gemeinderat sich ein: Aus Sicht des Gremiums berührt die
Fluchttreppe außerhalb der Baugrenze mit nur 2 m Abstand zur Nachbargrenze sehr
wohl die Belange der anliegenden Nachbargrundstücke. Es stellt schon ein
Problem dar, dass die Gebäude der geplanten Gemeinschaftsunterkunft und der Nachbargrundstücke
recht eng beieinander stehen. Diese Situation wird durch die Außentreppe
verstärkt. Es sollten die Mindestabstände zur Nachbargrenze eingehalten werden.
Darüber hinaus schien dem Gemeinderat eine Verlagerung der Treppe auch aus sicherheitstechnischer
Sicht sinnvoll (Nutzungsmöglichkeit für alle Geschosse).
Gemeinderatsmitglied
Michael Heinrich fragt, ob eine Selbstversorgung stattfindet oder ein Koch
eingestellt wird?
Bis jetzt wurden keine Angaben gemacht. Bürgermeister Zehe merkt an,
dass bei einer solchen Anzahl von Personen immer ein Betreuer vor Ort sein
muss.
Gemeinderätin Fr.
Dr. Doris Pokorny erkundigt sich, ob die Nachbarn ihr Einvernehmen durch
Unterschriftsleistung gegeben haben?
Die Pläne wurden vom Bauherrn den beteiligten Nachbarn nicht vorgelegt.
Die Nachbarn wurden im Auftrag vom 1. Bürgermeister Zehe durch die Verwaltung
schriftlich informiert. Ihnen wurde die Gelegenheit zur Einsicht in die
Bauantragsunterlagen gegeben. Die Nachbarn haben dieses Angebot sehr gut
angenommen.
3. Bürgermeister Andreas
Herleth möchte wissen, was passiert wenn die Unterschriften von den Nachbarn
verweigert werden?
Die Bauaufsichtsbehörde wird sich mit den beteiligten Nachbarn in
Verbindungen setzen und die Gründe der Verweigerung ihrer Unterschriftsleistung
hinterfragen. Sollten keine baurechtlichen Gründe gegen den Bauantrag seitens
der Nachbarn vorliegen, kann eine Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde erteilt
werden.
Gemeinderatsmitglied
Thomas Jülka fragt, ob der Ausbau der Gaube von der Gemeinde genehmigt werden
muss?
Bürgermeister Zehe merkt an, dass der Bebauungsplan keine Regelung über
die Zulässigkeit, den Standort und die Größe von Gauben und vergleichbaren
Dachaufbauten für das Grundstück Fl. Nr. 1918 enthält.
Erschließung:
Die Erschließung, Zufahrt, Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung
und Kanalisation ist gesichert. Eine Überlastung der Kanalisation ist
auszuschließen, da keine wesentliche Benutzungsumfangsänderung gegenüber dem
früheren Hotel gegeben ist.
Stellplatzfrage:
Die gemeindliche Stellplatzsatzung sieht keine Regelung für die beantragte
Nutzungsänderung vor. Nach § 3 Abs. 3 der gemeindlichen Stellplatzsatzung
gelten die Richtlinien des Bayer. Staatministeriums des Innern vom 12.02.1978. Auch
hier sind für die beantragte Nutzung keine Regelungen enthalten.
Nach der derzeitigen Rechtslage werden nach der Anlage 1 Nr. 1.12 der Garagenverordnung bei Gemeinschaftsunterkünften
für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 1 Stellplatz je
30 Betten, mindestens 3 Stellplätze gefordert.
Bei 70 vorgesehenen Personen ergäben sich 3 Stellplätze.
Auf dem Grundstück befinden sich 4 Garagen. Der Nachweis von mindestens
3 weiteren Stellplätzen ist im hinteren Grundstückbereich gegeben.
Die Bauanträge zur Nutzungsänderung wurden den angrenzenden Nachbarn
durch den Bauherrn nicht vorgelegt. Die Nachbarn wurden durch die Verwaltung mit
Schreiben vom 20.10.2015 informiert und es wurde ihnen Gelegenheit zur
Einsichtnahme in die Bauantragsunterlagen gegeben. Davon wurde von den Nachbarn
Gebrauch gemacht.
Der Bauantrag ist am 12.10.2015 bei der Gemeinde eingegangen. Über das
Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 Abs. 2 Baugesetzbuch ist bis Ende November
2015 zu entscheiden.
Beschluss:
Der Gemeinderat erteilt sein Einvernehmen zum Bauantrag zur
Nutzungsänderung des bestehenden Gastronomiebetriebes „Liesbach-Bräu“ in
Burgwallbach auf dem Grundstück Fl. Nr. 1918 in der Liesbachstr. 8 von
Gastronomiefläche in eine Beherbergungsunterkunft entsprechend den vorgelegten
Planunterlagen.
Für den Standort der Spindeltreppe außerhalb der im Bebauungsplan
festgesetzten Baugrenze wird, aufgrund der vorgenannten Gründe, keine
Zustimmung zu einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes
erteilt.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: |
13 |
Mitgliederzahl: |
13 |
Nein-Stimmen: |
0 |
Anwesend: |
13 |